«Ein Parlament muss nicht effizient sein», ermahnte mich ein erfahrener Kantonsratskollege, als ich mich vor ein paar Jahren als Neuling im Parlament über die langwierige und ineffiziente Debatte mit vielen Rednerinnen und Rednern beschwerte.
«Mehr Effizienz, mehr Tempo…» mögen wohl auch diejenigen Kantonsräte gedacht haben, die 2016 eine parlamentarische Initiative einreichten, mit der sie die Wahlhürden erhöhen wollten. Nur Parteien, die im ganzen Kanton mindestens 3 Prozent Wähleranteil erreichen, sollten noch im Parlament vertreten sein – Kleinparteien mit einem tieferen Anteil wären nicht mehr dabei. Die gegenwärtig acht Parteien machten den Ratsbetrieb ineffizient und die politische Zersplitterung wirke sich negativ aus, argumentierten die Befürworter. Die Gegner erwiderten, mit der höheren Wahlhürde würde die politische Vielfalt leiden und kleinere Bevölkerungsgruppen würden von der Mitsprache im Parlament ausgegrenzt.
Im Kanton Zürich haben wir uns vor gut 100 Jahren bewusst für die Einführung des Proporzwahlrechtes entschieden, und kurz darauf tat dies der Bund auch. Auf dem Hintergrund der damaligen Krisensituation des ersten Weltkriegs und der zunehmenden sozialen Spannungen war man zum Schluss gekommen, dass auch kleinere Bevölkerungsgruppen im Parlament mitreden und mitgestalten sollten. Statt nur mit zwei oder drei grossen Parteien (oder gar nur mit einer Partei wie im Bundesrat von 1848) Politik zu machen, sollten auch kleinere Parteien mithelfen, einen möglichst grossen Teil der Bevölkerung in die politische Mitwirkung einzubeziehen.
Und ich meine, wir sind in den vergangenen 100 Jahren in unserem Land gut gefahren mit einem Einbezug breiter Bevölkerungskreise – mit einem vielfältigen Mehrparteiensystem, mit Vernehmlassungsverfahren und mit direktdemokratischen Möglichkeiten wie Initiativen und Abstimmungen. Unser demokratisches System bewahrt uns vor Spaltungen des Volkes, wie das Länder mit nur zwei Parteien oft erleben. Auch wenn unser langfädiges politisches Miteinander manchmal Nerven braucht, bin ich daher überzeugt: Vielfalt tut unserer Demokratie gut – und sie hilft uns, möglichst gut unser Zusammenleben zu regeln und die Herausforderungen der Zukunft mit «Schwarmintelligenz» zu meistern.
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