Haben Sie auch schon einmal in einem privaten Verein oder einem geschäftlichen Projekt mitgearbeitet, in dem alle alles ein Bisschen machen? Vermutlich ging es Ihnen dabei wie mir dabei auch schon: Innert kürzester Zeit weiss keiner mehr, was zu tun ist, niemand hat den Überblick: Chaos pur! Und in solchen Situationen pflichtet man dem Sprichwort gerne bei: «Zu viele Köche verderben den Brei»
«Zu viele Köche verderben den Brei» – genau in dieses Kapitel gehört die vorliegende Volksinitiative! Die Initiative will tief in die heutige Aufgabenverteilung in Sachen Lehrplan eingreifen: Sie will dazu in der Kantonsverfassung festlegen, dass im Lehrplan nicht nur die grundlegenden Inhalte des Unterrichts, sondern auch die Ziele der Fächer für jedes (!) Schuljahr festgelegt werden sollen. Diese müssten dann in einem aufwändigen Verfahren festgelegt werden: Der Regierungsrat würde auf Antrag des Bildungsrates den Lehrplan beschliessen und der Kantonsrat müsste diesen dann genehmigen, worauf eine Volksabstimmung möglich wäre.
Dabei hat sich die bisherige Aufgabenverteilung in Sachen Lehrplan in unserem Kanton seit Jahrzehnten bewährt: Das Volk wählt den Kantonsrat, der Kantonsrat legt das Volksschulgesetz fest und wählt den Bildungsrat, der für die Inhalte der Bildung zuständig ist. Und dieses bewährte Verfahren greift auch beim neuen Lehrplan 21.
Der Lehrplan der Volksschule wird von einem breiten Gremium von Fachleuten, darunter auch Lehrpersonen aus der Praxis, unter der Führung des Bildungsrates erarbeitet und anschliessend in einem öffentlichen Vernehmlassungsverfahren von verschiedenen gesellschaftlichen Gruppierungen geprüft und allenfalls angepasst. Der Bildungsrat, der fachlich und gesellschaftlich breit zusammengesetzt ist, setzt den Lehrplan, der nach diesem Verfahren auf breite Akzeptanz stösst, schliesslich in Kraft. Klare Rollenzuweisung und klare Aufgabenverteilung – so gelingt das Kochen von Lehrplänen – um im Bild zu bleiben.
Was die Initiative hier aber will, ist fröhliches Teamkochen ohne Anleitung, mit ungewissem Ausgang: Es ist mir schleierhaft, wie wir den mehrhundertseitigen Lehrplan – wenn die Initianten noch für alle Fächer Jahresziele beifügen wollen, werden das wohl noch weit mehr – wie wir diesen Lehrplan im Kantonsrat durcharbeiten wollen. Stellen Sie sich diese hochemotionale tagelange Debatte mit Dutzenden von Anträgen vor – nein, das stelle ich mir lieber nicht vor! Schliesslich müssen Lehrplaninhalte regelmässig den gesellschaftlichen und fachlichen Entwicklungen angepasst werden können – bei jeder Änderung müsste man also wieder diesen Gang durch alle Institutionen antreten… Als Schulpräsident unserer Schulgemeinde ist es mir in unserer Arbeit absolut wichtig, dass eine Verpolitisierung der Bildungsinhalte unserer Volksschule auf jeden Fall verhindert wird. Und diejenigen Frauen und Männer in unserem Saal, die in einer Schulbehörde mitarbeiten, werden mir bestätigen, dass in der praktischen Zusammenarbeit für eine gute Schule die Parteizugehörigkeit kaum je eine Rolle spielt – oft muss ich überlegen, welches Behördenmitglied von welcher Partei ist. Diese Initiative will aber die Bildungsinhalte unserer Volksschule mitten in das politische Minenfeld unseres Rathauses zerren! Davor graut mir – und genau weil man das nicht wollte, hat man diese Aufgabe dem sachverständigen Bildungsrat anvertraut.
Ich bitte Sie, im Namen der EVP und im Namen des Erfolgsmodells Volksschule:
Verzichten Sie auf die Verpolitisierung unserer Volksschule, lassen Sie uns in der Schule ungestört unsere wichtige Arbeit für die nächste Generation tun – und lehnen Sie daher diese Initiative ab!
Votum in der Kantonsratssitzung vom 19.6.17 von Hanspeter Hugentobler, EVP. Der Kantonsrat folgte meiner Empfehlung mit 153:56 Stimmen.
Die Berichterstattung im Tagesanzeiger finden Sie hier.
Weitere Infos zu meinen Vorstössen im Kantonsrat finden Sie unter: Kantonsrat Zürich | Mitglieder | Hanspeter Hugentobler (zh.ch)
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