Mehr Freiheit für die Schulen der Gemeinden!

«Mehr Freiheit für die Schulen der Gemeindenweniger zentrale Kantonsvorschriften, die den völlig unterschiedlichen Situationen der Schulen in unseren Dörfern und Städten nicht gerecht werden» – so könnte man diese Vorlage zusammenfassen. Also eine im besten Sinne demokratische und föderalistische Vorlage. Eine Vorlage, die das wohl von den meisten hier drin hochgehaltene Subsidiaritätsprinzip befolgt: Eine Aufgabe ist immer von der kleinsten Einheit zu erledigen. Der Kanton soll also nicht regeln, was die Gemeinde vor Ort situationsgerecht regeln kann.

Und diese Situation in der Volksschule hat sich in den letzten Jahren in vielen Gemeinden massiv verändert: Die Aufgabenlast von Schulpflege, Schulleitungen, Schulverwaltung und Lehrpersonen hat massiv zugenommen. Die Schule muss immer mehr gesamtgesellschaftliche Aufgaben übernehmen, Erziehungs- und Entwicklungsdefizite kompensieren, Anforderungen der Wirtschaft berücksichtigen, und sie ist auch für die lückenlose Betreuung von 08-18 Uhr zuständig. Die Schule muss bilden, erziehen, integrieren, dokumentieren, administrieren… Der Anteil fordernder Eltern nimmt zu, es gibt mehr Gespräche, mehr Sitzungen, mehr Aktennotizen, mehr Rechtsfälle, die Leitung ist aufwändiger geworden. Kommt dazu, dass in einem Schulhaus mit 6 Klassen nicht mehr wie vor Jahrzehnten 6 100%-Lehrpersonen unterrichten, die 40 Jahre am gleichen Ort Schule geben, sondern dass Sie ein 30-köpfiges Team von Lehrpersonen, IF-Lehrpersonen, Heilpädagoginnen für ISR-Kindern, Klassenassistentinnen, Senioren im Klassenzimmer und Tagesstrukturen-Betreuerinnen vorfinden – ein Team von Spezialistinnen und Spezialisten eben, ohne dass Sie die heutigen Herausforderungen der Schule nicht mehr bewältigen könnten. Und dieses riesige Team wird nun von einer Schulleitung geleitet, die im Sandwich zwischen allen Ansprüchen mit grosser Regelmässigkeit an die Grenzen kommt und mit ebenso grosser Regelmässigkeit jedes Jahr viele Überstunden machen muss, die dann Ende Jahr einfach gestrichen werden.

Diese Schulleitungen – die im Schnitt im Kanton Zürich etwa nach drei Jahren den Bettel hinwerfen – werden von Milizbehörden genannt Schulpflege geführt, die zunehmend an den Anschlag kommen. Schulbesuche, Mitarbeitendenbeurteilung, Personalrekrutierung von Schulleitungen, Eltern-Anhörungen – und vieles davon hat tagsüber stattzufinden, schwierig für Miliz-Behördenmitglieder. Kein Wunder, dass vor allem Schulpflegen in mittleren und grösseren Gemeinden am Anschlag sind: Wenn Sie dann als ehrenamtliche Schulpflege 7, 10 oder 12 Schulleitende zu führen haben, bei deren durchschnittlich dreijähriger Verweildauer Sie vielleicht in einem Jahr gleich mal 3 von ihnen zu ersetzen haben, allfällige Konflikte zu beruhigen und neue Schulleitende (von denen es viel zu wenige gibt) zu finden, einzusetzen und dann auch noch fachlich einzuführen haben – dann müssen wir uns nicht wundern, dass immer mehr Schulpflege-Mitglieder vor Ende der Amtsdauer mittels Arztzeugnis das Handtuch werfen. Wenn wir die aktuelle Führungsorganisation in den meisten Schulen mit der Organisation der Gemeindeverwaltung vergleichen, entspricht diese einer Gemeindeverwaltung ohne Gemeindeschreiber: 5, 10, 15 Abteilungsleitende, die keinen Chef haben, sondern direkt dem Gemeinderat unterstellt sind. Kein Gemeinderat und kein Gemeindepräsident würde sich so etwas antun. Schulpflegemitglieder und Schulpräsidien tun genau dies seit Jahren Tag für Tag. Doch dieses Modell funktioniert vor allem in mittleren und grösseren Gemeinden je länger je weniger – und es braucht dringend eine stärkere Unterstützung der Führung unserer Schule (Schulpflege, Schulleitung, Schulverwaltung), und eine gute Führung entlastet übrigens auch die Lehrpersonen!

Das hat die Regierung erkannt und hat deshalb die vorliegende Änderung des Volksschulgesetzes und des Lehrpersonalgesetzes ausgearbeitet. Und der Titel verspricht genau das, was die Vorlage leistet: Sie erhöht die Organisationsautonomie der Gemeinden. Die Schulen können vor Ort entscheiden, welche Art der Führungsorganisation und -unterstützung in ihrer Gemeinde dran ist. Je nach Grösse, Situation und örtlichen Gegebenheiten können die vom Volk gewählten Schulbehörden in Zusammenarbeit mit Gemeindeversammlungen oder Parlamenten sich für das Organisationsmodell entscheiden, dass der Schule und damit den Menschen vor Ort am besten dient. Die Vorlage der Regierung ermöglicht den Schulen in den Gemeinden eine verstärkte Führungsunterstützung, man kann auch ein Leitung Bildung einführen, man kann, niemand muss. Die Vorlage der Regierung wäre perfekt gewesen und eine grosse Hilfe für die Schulen vor Ort, wenn die KBIK nicht an einigen Stellen in völliger Praxisfremde an der Vorlage herumgebastelt hätte – doch dazu bei den einzelnen Bestimmungen mehr.

Trotz der zum Glück wenigen «verbastelten» Stellen wird diese Vorlage vielen Schulen im Kanton Zürich dienen, Entlastung für die hochbelastete Schulführung verschaffen und damit zu einer gesunden Weiterentwicklung einer zeitgemässen Volksschule beitragen, die unsere nächste Generation ausbildet. Die EVP wird deshalb auf diese Vorlage eintreten und dieser auch zustimmen.

Zu §43,1: Gegen die Einschränkung der Leitung Bildung erst ab 3 Schuleinheiten

Die Mehrheit will den Schulen eine Leitung erst ab drei Schuleinheiten eine Leitung Bildung erlauben – das ist unlogisch, finden wir: Zum einen: Zuständig für die Bezeichnung der Schuleinheiten ist die Schulpflege. Wenn eine Schulpflege mit zwei grossen oder einer riesigen zentralen Schuleinheit als schulorganisatorisch beste Lösung eine Leitung Bildung einführen will, dann beschliesst sie einfach die Teilung dieser Einheit, und dann ist dieses Verbot wirkungslos. Zum andern: Wieso eigentlich haben Sie soviel Angst vor den Gemeinden? Da sind vom Volk gewählte Schulbehörden am Werk, die die jeweils je nach Gemeinde sehr unterschiedlichen Situationen vor Ort viel besser beurteilen können als wir im Kanton – weil sie die Schule kennen, die Menschen und ihre Bedürfnisse kennen, und was für ihre Gemeinde am besten ist. Und glauben Sie: Keine Schulpflege wird einfach so aus Spass unnötige Mittel sprechen, und sollte das doch einmal geschehen, würde die Gemeindeversammlung oder das Parlament dies schleunigst korrigieren. Ich wundere mich wirklich, dass eine Mehrheit hier drin den Gemeinden gegenüber so explizit misstraut – sie vertreten doch die Gemeinden Ihrer Wahlbezirke – und plötzlich so unglaublich staatsgläubig sind, dass Sie alles im Kanton regeln wollen. Wie sagte Kollege Matthias Hauser in der Musikschuldebatte so treffend: «Die SVP will nicht den ganzen Kanton gleich organisieren». Absolut einverstanden – streichen wir deshalb diesen Gemeinde-Bevormundungs-Paragraphen! Die EVP unterstützt den Minderheitsantrag II.

Zu §43,2: Gegen das Verbot der Übertragung von Schulleitungsaufgaben

Bei dieser Passage sind wir nun am Tiefpunkt der KBIK-Bastelarbeiten angelangt, es gibt sogar Leute, die an dieser Stelle von einer kastrierten Vorlage sprechen. Was ist geschehen? In der regierungsrätlichen Vorlage stand noch «Der Leitung Bildung können Aufgaben der Schulpflege, der Schulleitungen oder der Schulverwaltung übertragen werden». Das macht ja absolut Sinn, denn so kann vor Ort massgeschneidert festgelegt werden, welchen Aufgabenmix die Leitung zu erfüllen hat, und welche der drei Player Schulpflege, Schulleitung und Schulverwaltung sie wie stark unterstützen und entlasten soll. Und was machte die KBIK-Mehrheit: Sie streicht die Schulleitungen – will heissen: Nur Aufgaben der Schulpflege und der Schulverwaltung dürfen der Leitung Bildung übertragen werden, Aufgaben der Schulleitungen nicht. Damit lässt man nicht nur die Schulleitungen in ihrer Aufgabenüberlastung versauern, verbietet sogar explizit deren Entlastung und nimmt damit mutwillig in Kauf, dass Schulleitende auch künftig schon nach wenigen Jahren gefrustet das Handtuch werfen, sondern man schafft auch eine groteske Führungssituation: Da können Sie also durchaus einen Leiter Bildung als Vorgesetzten der Schulleitungen einsetzen, dieser darf aber explizit keine Aufgaben der Schulleitungen übernehmen, auch nicht bei Vakanzen (dann müssen Sie also lieber externe Schulleitungsspringer für 150 Franken Stundenlohn anstellen!). Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Eine klassische Aufgabe der Schulführung ist die Schülerzuteilung – in vielen Gemeinden wäre eine koordinierte Zuteilung über alle Schuleinheiten durch eine Leitung Bildung sehr hilfreich und entlastend. Die Zuteilung der Schüler auf die Schuleinheiten dürfte die Schulpflege der Leitung Bildung delegieren, die Zuteilung der Klassen aber nicht, denn das ist nach dieser Bestimmung Schulleitungskompetenz – obwohl das eine mit dem anderen einen direkten Zusammenhang hat. Die Leitung Bildung könnte also die Schulhauszuteilung verfügen, müsste die Klassenzuteilung aber von den Schulleitungen erbitten. Haben Sie das schon irgendwo mal gesehen, dass eine Chefin oder ein Chef seine Unterstellten auf den Knien um etwas bitten muss, weil er nicht die Kompetenz hat, es im Notfall zu verfügen? Eine Vorgesetzte, die nichts ohne seinen Unterstellten machen kann, nicht einmal, wenn dieser ausfällt? Das ist selbst bei bestem Einvernehmen unsinniger Doppelaufwand und bei Konflikten absolut Krisen-untauglich.

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie: Streichen Sie diese unsinnige praxisfremde Einschränkung! Nehmen Sie Abstand davon, eine Entlastungsmassnahme für die Schulführung und die gesamte Schule schon von Beginn weg zu kastrieren. Und bitte kommen Sie endlich an in der Volksschule des 21. Jahrhunderts!

Zu §46.1: Gegen die Verzichtsmöglichkeit auf eine Schulverwaltung

Die Mehrheit postuliert mit dieser Änderung der regierungsrätlichen Vorlage, dass man auch auf eine Schulverwaltung verzichten kann. Meine Damen und Herren, wir leben im 21. Jahrhundert! Wir leben nicht mehr in den idyllischen Schulzeiten vor 40, 50 Jahren, da hatte man bei uns in Pfäffikon in der Schulpflegesitzung nach wenigen Minuten die paar anstehenden Fragen geklärt und die restliche Zeit sang man dann zusammen mit den Lehrpersonen gemeinsam mit Gitarrenbegleitung Lieder. Diese Zeiten sind endgültig passé – und sie kommen auch nicht wieder! Heute haben wir ein hochkomplexe Organisation mit verschiedensten Anspruchsgruppen zu führen, mit oft Hunderten von Mitarbeitenden, Tausenden von Kindern und Eltern, die ihre Rechte kennen und durchsetzen, mit unzähligen Vorschriften, Regelungen, administrativen Vorgängen und Datenschutz-Bestimmungen – und die wollen Sie allen Ernstes ohne Schulverwaltung, wie früher hobbymässig in der Büroecke im Schlafzimmer des Miliz-Schulpflegers führen?! Ich bitte Sie, reden Sie in Zukunft wieder mehr mit den Schulpflegepräsidien Ihrer Parteien, nehmen Sie sie und ihre wichtige und herausfordernde Arbeit, die sie Tag für Tag leisten ernst – und verschonen Sie uns vor solchen praxisfremden Regelungen!

Wir draussen in den Gemeinden brauchen Gesetze, die praxistauglich sind, die man anwenden kann ohne juristische Klimmzüge und vor allem: Gesetze, die uns in der Führung einer Volksschule des 21. Jahrhunderts unterstützen, in der wir die nächste Generation unseres Kantons und unseres Landes ausbilden!

Votum in der Kantonsratssitzung vom 20.1.20 von EVP-Kantonsrat Hanspeter Hugentobler zur Vorlage 5507 „Organisations-Autonomie der Gemeinden“. Die EVP wird sich weiterhin für die Stärkung der Organisationsautonomie der Volksschulen der Gemeinden einsetzen und bleibt am Thema dran.
Unter Medienberichte können Sie nachlesen, was die Presse über meine Voten und Vorstösse berichtet.
Weitere Infos zu meinen Vorstössen im Kantonsrat finden Sie unter: Kantonsrat Zürich | Mitglieder | Hanspeter Hugentobler (zh.ch)
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