Die ZVV-Nachtnetz-Strategie ist mutlos

Unser Zürcher Nachtnetz ist ein Erfolgsmodell – da stimmen Sie mir sicher zu.
Diese Erfolgsgeschichte freut uns deshalb speziell, weil einer der Väter ja auch der frühere EVP-Kantonsrat Kurt Schreiber ist – der den Ausbau des S-Bahn-Angebotes während der Nächte des Wochenendes forderte. Der Kantonsrat überwies das Geschäft 177/2000 an den Regierungsrat, und im Jahr 2002 wurde das Nachtangebot eingeführt. Seither sind die nächtlichen Fahrgastzahlen explodiert – die Nachfrage hat sich verzehnfacht.

Aber die Zeit ist nicht stehen geblieben seit 20 Jahren.
Das Freizeit- und Ausgehverhalten hat sich stark verändert: Während sich das Ausgehverhalten früher auf den Abend konzentrierte und nach Mitternacht «Sammel-Nachtlinien» dann noch die «Spätheimkehrer» transportierten, kommt heute das Nachtleben erst gegen Betriebsschluss in Schwung – natürlich nicht im Moment während der Corona-Zeit, aber wir machen hier ja die Politik für eine – hoffentlich baldige ! – Zeit nach Corona. Diese Verlagerung des Ausgehverhaltens in die nächtlichen Morgenstunden ruft nach häufigeren Verbindungen und nach einer besseren Erschliessung vernachlässigter Regionen.

Deshalb forderte unser überwiesenes Postulat für ein zeitgemässes Nachtnetz:

  • Die Abdeckung aller Regionen durch Nacht-S-Bahnen statt der Sammel-Nachtbusse
    Die Angleichung des Angebotes an das Tagesnetz
  • Insbesondere forderten wir die Einführung des Einstiegs (nicht nur des Ausstiegs!) an allen Nachtbus-Stationen, um eine flächendeckende Erschliessung in alle Richtungen sicherzustellen
  • Denn die ZVV-Benützerinnen und -Benützer wollen nicht einfach nur von Zürich nach Hause kommen, sondern da sind viele, die auch an anderen Orten des Kantons nachts im Ausgang sind und zu Besuch bei Freunden irgendwo im Kanton – und die dann mit dem öffentlichen Verkehr nach Hause fahren wollen.
  • Der Kanton Zürich ist mehr als die Stadt Zürich – das gilt auch für unser heutiges Ausgehverhalten und das hat darum auch für das Nachtnetz zu gelten
  • Ein Nachtnetz übrigens, dass künftig mindestens auch schon am Donnerstagabend in Betrieb sein sollte

Und was ist aus den Postulatsforderungen geworden?
Ich beginne mit dem Lichtblick der regierungsrätlichen Antwort: Die Einsteige- und Rückfahrmöglichkeit, bis anhin ein exklusives Privileg der Stadtzürcher, gilt neu auch in Winterthur. Super, herzlichen Dank, und im Rest des Kantons? Im Rest des Kantons soll man auch weiterhin nicht einsteigen oder Richtung Stadt fahren können. Um dies zu begründen, werden im Bericht eine Vielzahl von Bedingungen für einen Ausbau genannt, die gleichzeitig erfüllt sein müssen, damit der ZVV sich bewegt: «In urbanen Gebieten soll die Rückfahrmöglichkeit in stark bebauten und zusammenhängenden Siedlungen zum Bahnhof angeboten werden, falls kein zusätzliches Fahrzeug eingesetzt werden muss, die Betriebsstabilität gewährleistet ist und am Bahnhof auch Anschlüsse möglich sind…» – das sind 6 Bedingungen!

Mit einem Wort: Wo kein Wille ist, ist auch kein Weg. Die flächendeckende Erschliessung unsere Kantons gibt es auch weiterhin nicht, in die Nachtbusse darf man ausser in der Stadt Zürich und Winterthur auch weiterhin nicht einsteigen, die Tösstaler und Wehntaler warten weiterhin auf die Nacht-S-Bahn – und damit nimmt man für alle Nachtfahrten, die nicht von Zürich oder Winterthur ausgehen, auch weiterhin das Auto, mit allen ökologischen Folgen und den entsprechenden nächtlichen und alkoholbedingten Unfallgefahren.

Meine Damen und Herren: Vor 18 Jahren gehörten wir mit unserem Nachtnetz zu den fortschrittlich mit öffentlichen Verkehrsmitteln erschlossenen Regionen.
Heute müssten wir dringend nachbessern, um ein Nachtnetz für die 2020er-Jahre zu gewährleisten, das auch in Zukunft möglichst viele Menschen in unserem Kanton nachts umweltfreundlich und sicher transportiert. Wir sind erfreut über den kleinen Fortschritt der neuen Einsteige- und Rückfahrmöglichkeiten in Winterthur. Aber vor allem sind wir enttäuscht über die mutlose Nachtnetz-Zukunftsstrategie der Regierung, die diesen Namen nicht verdient und die heutigen nächtlichen Mobilitätsbedürfnisse der Bevölkerung in unserem Kanton verkennt.

Das Postulat kann aus Sicht der EVP abgeschrieben werden – nicht aber das Ziel, mit Nachdruck auf eine generelle Verbesserung der nächtlichen Vernetzung im ganzen Kanton hinzuwirken.

Votum in der Kantonsratssitzung vom 23.11.20 von EVP-Kantonsrat Hanspeter Hugentobler. Die EVP wird sich weiterhin für fortschrittliches ZVV-Nachtnetz für den ganzen Kanton einsetzen.
Unter Medienberichte können Sie nachlesen, was die Presse über meine Voten und Vorstösse berichtet.
Weitere Infos zu meinen Vorstössen im Kantonsrat finden Sie unter: Kantonsrat Zürich | Mitglieder | Hanspeter Hugentobler (zh.ch)
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